VANESSA HöTGER

Das frei gestellte Porträt eines Hundes steht neben dem frei gestellten Porträt eines Mannes mit negroiden Zügen. Darunter versetzt sind beide Porträts als Negativ gekontert, so daß die Zeichnung des Hundes spiegelverkehrt erscheint und sich der dunkelhäutige Mann zu einem Weißen verwandelt hat. Auf wen von beiden sich die Frage des Titels „Isn`t he sweet?“ bezieht, bleibt dabei zumindest zweideutig.

Eindeutig jedoch ist, daß Vanessa Hötger, wie in vielen ihrer Arbeiten, Formen der Wahrnehmung aufgreift, die als kaum hinterfragte Klischees das Alltagsbewußtsein prägen. Die oft gehörte und scheinbar so unschuldige Floskel „Ist er nicht süß?“ gerinnt angesichts der damit konnotierten Bilder zu einem fast zynisch anmutenden Kommentar, der Mensch und Tier als Repräsentanten einer bestimmten Rasse auf einen Nenner bringt und jeden Unterschied negiert. In der Konfrontation von Positiv- und Negativfassung enthüllt sich der Aberwitz der vermeintlich so harmlosen Frage vollends.

Vanessa Hötger bezieht sich in ihren Arbeiten immer wieder auf alltägliche Situationen, Dinge, die sie selbst gesehen und erlebt hat, Bilder aus dem Internet, Randnotizen aus der Presse, Schnappschüsse, Gefundenen und Getroffenes, Banalitäten, die scheinbar belanglos und beiläufig sind, sich aber bei genaueren Hinsehen und Hinhören zu aussagekräftigen Symbolgestalten verwandeln, die viel über die Abgründe des sogenannten Alltagsbewußtseins verraten.

Persiflierend und karikierend verwandelt die Künstlerin Denk-und Verhaltensklischees  in ihren Arbeiten zu zeichenhaften Topoi - egal, ob es sich dabei um die so beliebten lockeren Sprüche handelt, die offensichtlich keiner ernst nimmt, oder um ein krampfhaft antrainiertes Rollenverhalten, das als maskenhaft erstarrte Idolatrie den Blick verstellt. Häufig mit einem gehörigen Schuß (Selbst-)Ironie versetzt, rufen ihre Bilder ein anfängliches Schmunzeln hervor, wenn hinterfragt wird, ob ein deutscher Schäferhund zur Mitfahrt in einem Wohnwagen berechtigt ist: „Darf dieser Hund mit einem Wohnwagen fahren?“. In einer zweiten Fassung des Motivs erscheint der Hund als Karnevalsnarr im geschmückten Wagen als Projektionsfigur der spöttischen Frage: „Darf DIESER Hund mit einem Wohnwagen fahren?“, wodurch das, nicht zuletzt in Deutschland weit verbreitete Verlangen nach Regeln und Normen, Bestimmungen und gesetzlichen Vorgaben für jedwede Situation in seiner ganzen Absurdität entlarvt wird.

Die Bilder von Vanessa Hötger brennen ein Loch in den Tag und machen schlagartig bewußt wie bewußtlos eine Wahrnehmung ist, die sich selbst nicht wahrnimmt.