JOACHIM POTHS

Joachim Poths setzt sich in seinen Photo-Objekten mit der Natur des Sehens und des Sichtbaren auseinander, wobei er das Paradigma, ein Bild gleiche der Aussicht aus einem Fenster, unterläuft und damit die Schnittstelle zwischen inner- und außerbildlichen Wirklichkeit in Frage stellt.
Photos zeigen wie Licht durch Fenster fällt, also Lichtbilder im wahrsten Sinne des Wortes sind, in denen nichts anderes erscheint als verschiedenartige Rahmenausschnitte in unterschiedlichen räumlichen Situationen. Einzige Ausnahme ist ein Fenster, in dem ein weißes Herrenoberhemd auf einem Bügel hängt und von dem einfallenden Licht durchleuchtet wird. Das Spiel zwischen transparenten und opaken Flächen, das durch den unterschiedlichen Lichteinfall und seinen Brechungen hervorgerufen wird, vertieft dabei den Gegensatz zwischen Aussicht und Ansicht, zu dem die Doppelgestalt des Lichtes sich auffächert: Licht ist das, was sichtbar macht und Licht ist das, was sichtbar ist.
In der Regel verschwindet das Medium - nicht nur in der Photographie, sondern bei jedem semantischen Sehen -  hinter dem, was es zeigt. In den Arbeiten von Joachim Poths hingegen wird sichtbar, daß gerade die Nicht-Sichtbarkeit eine Bedingung für die Möglichkeit des Sichtbaren ist.
Durch die Kombination dieser Photos mit unterschiedlichen Objekten überschreitet Joachim Poths nicht nur die Grenze zwischen außer- und innerbildlicher Wirklichkeit erneut, indem er sich in den Raum des Betachters begibt, sondern er verweist gleichzeitig auf weitere Rahmenbedingungen des Sehens - ein Wecker erinnert an die Zeitlichkeit des Sehens, eine Glühbirne daran, dass das Nicht-Sichtbare dem Sichtbaren zugrunde liegt. Zwei Papierschwalben, die startbereit zum Fluge sind, machen deutlich, dass immer nur ein Ausschnitt, ein Teil des Ganzen sichtbar ist. Ein Buch über Goya in einer Schraubzwinge greift die Licht-Metaphorik auf :  das Licht der Aufklärung und deren Schattenseiten, von denen Goyas Werk ein beredtes Zeugnis ablegt.
 Im Sehen formuliert sich hier eine Sicht, die keinen direkten Zugriff auf ein eindeutig Vorhandenes gewährt, sondern vergleichbar der Metaphernbildung in der Sprache provisorische und vorläufige Einsichten zur Anschauung bringt, die labil sind und immer wieder aufs Neue zwischen Sichtbarem und Unsichtbaren vermitteln.